Seit einigen Monaten begleite ich verschiedenste Teams aus dem Palliativ-Bereich als Supervisor und Coach. Die Zusammenarbeit mit den Frauen – und den sehr wenigen Männern – beeindruckt und berührt mich zutiefst. Tag für Tag pflegen und begleiten sie Menschen auf dem letzten Abschnitt des Lebens mit viel Achtsamkeit, Präsenz, Empathie und Wertschätzung gegenüber den Sterbenden und Angehörigen.
Mehr oder weniger zeitgleich habe ich diese Erfahrung auch selbst aus der Perspektive des Trauernden erfahren beim Abschied meiner Mutter. Immer wieder spendeten die Palliativ-Mitarbeitenden Trost, Verständnis und Unterstützung.
Diese Erfahrungen haben mich in den letzten Wochen dazu bewogen, mich einmal mehr vertiefter mit den Themen Tod und Sterben zu beschäftigen. Dabei bin ich u.a. auf das Buch von Bronnie Ware «5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen» gestossen – ein Bestseller, den Sie vielleicht kennen. Die Autorin hat viele Menschen persönlich in der letzten Lebensphase begleitet und befragte sie fortlaufend nach Aspekten, die sie bereuten oder die sie im Leben gerne besser gemacht hätten. Auffällig ist dabei, dass «5 Dinge» immer wieder erwähnt worden sind:
Den Mut haben, das eigene Leben zu leben: Der Punkt, der am meisten genannt wurde. Dass man den Erwartungen anderer entsprechen wollte und nicht das Leben führte, das man eigentlich hätte führen wollen.
Nicht so viel arbeiten: Eigentlich wurde dies von fast jedem männlichen Patient genannt. Frauen erwähnten diesen Punkt deutlich weniger oft, vor allem da sie in ihrer Lebenszeit nicht die Hauptverdienerinnen waren.
Mehr Gefühle zeigen: Viele Menschen stören sich im Rückblick daran, dass sie Gefühle zurückhielten. Bronnie Ware beobachtete zudem, dass viele dieser Leute aufgrund ihrer Verbitterung Krankheiten entwickelten.
Mit Freundinnen und Freunden in Kontakt bleiben: In den letzten Lebenswochen wird einem bewusst, so Bronnie Ware, was schlussendlich bleibt: Liebe und Beziehungen.
Glücklich sein: Viele der Patientinnen und Patienten fanden, sie hätten ihr Glück zu stark von einem Ergebnis oder Ereignis abhängig gemacht, statt einfach einmal den Moment zu geniessen.
Doch was tun wir nun mit diesen Erkenntnissen?
Es stellt sich die Frage, was wir mit diesen Aussagen machen? Ich denke, man kann dies einfach zur Kenntnis nehmen und anschliessend wieder beiseitelegen. Dann wird es Menschen geben, welche durch diese Aussagen berührt werden und eventuell im persönlichen Inneren die Frage auftaucht: Wie steht es aktuell um mein Leben bzgl. der genannten «Dinge»? Ein inneres Forschen kann beginnen. Und dann wird es diejenigen geben, die diese Erkenntnisse in ihr Leben fortlaufend integrieren und es als Impuls nutzen, um weiter bewusst – oder noch bewusster – das eigene Leben zu gestalten.
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